Berlin wächst. Allein 2015 sind 50.000 Einwohner hinzugekommen. In der Hauptstadt leben jetzt mehr als 3,5 Millionen Menschen. Flüchtlinge nicht eingerechnet. Die Menschen wollen in die Stadt. Berlin steht damit nicht allein. Nur: Geht das gut?
Einfach losbauen – das reicht nicht. Die betongraue Stadt entspricht nicht einer nachhaltig denkenden Gesellschaft. Erst im vergangenen Jahr hat die Weltgemeinschaft mit der Agenda 2030 ihre Vision der Zukunft verabschiedet und sich insgesamt 17 Ziele gesetzt. Mit Ziel 11 „Städte und Siedlungen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig machen“ hat sie erstmals auch einen globalen Anspruch für die Stadtentwicklung formuliert. Deutschland arbeitet nun an der Neuauflage seiner Nachhaltigkeitsstrategie. Ein Entwurf der Bundesregierung liegt bereits vor.
Darin erwähnt sie zum Beispiel, dass sich Deutschland seit langem vorgenommen hat, die Neuinanspruchnahme von Flächen für Siedlungen und Verkehr auf 30 Hektar pro Tag zu verringern. Und: Es gelte unter anderem, diesen Ansatz „fortzuentwickeln“. Denn bisher geht es nur langsam voran. Im Jahr 2003 sind rund 120 Hektar am Tag verbaut worden, 2014 waren es zwar schon deutlich weniger, aber immer noch 69 Hektar.
Gesucht sind neue Ideen. Derzeit können sich Städte und Gemeinden für das Programm„Nationale Projekte des Städtebaus“ bewerben. Schon seit 2014 fördert das Bundesbauministerium damit „baulich anspruchsvolle und auch experimentelle Vorhaben, die beispielhaft für die Stadtentwicklung in ganz Deutschland sind.“ So sollten „drängende Fragen der Stadtentwicklung“ aufgegriffen und die „Suche nach beispielhaften Lösungen“ angeregt werden, erklärt ein Ministeriumssprecher. Er sagt: „Das Programm ist inhaltlich breit aufgestellt, um verschiedenste städtebauliche Projekte berücksichtigen zu können.“ 2014 und 2015 sei „Grün in der Stadt“ einer der Förderschwerpunkte gewesen, „um beispielhafte Projekte zur Qualifizierung, Rückgewinnung oder Sicherung urbaner Frei- und Grünräume identifizieren und auszeichnen zu können.“
Flussbad mitten in Berlin
Ein Beispiel: Das Flussbad Berlin, das Architekten und Künstler in mit einem schon im Jahr 2012 gegründeten Verein vorantreiben. Sie wollen den Spreekanal zwischen Bodemuseum und Schlossplatz mitten in Berlin zu einem öffentlichen Fluss-Schwimmbad von 750 Meter Länge und 30 Meter Breite verwandeln. Aus den Ufermauern sollen Freitreppen werden, samt Sonnenterrasse, Holzpromenade, Dusch- und Umkleidekabinen. 2,6 Millionen Euro hat der Bund zu dem Projekt dazu gelegt, das auch vom Land Berlin gefördert wird.
Für die erforderliche Wasserqualität soll eine Schilf- und Seegraslandschaft als natürliche Filteranlage weiter flussaufwärts sorgen. Die Wasserreinigung wird schon ab diesem Spätsommer exemplarisch in einem Testfilter erprobt werden. Und nochmal weiter aufwärts soll schließlich ein renaturiertes Biotop für wasserliebende Fauna und Flora entstehen. Spätestens 2025 soll die neue Flussbadeanstalt eröffnen – und damit 100 Jahre, nachdem die letzte in Berlin geschlossen worden ist.
Worum geht es bei zukunftsweisender Stadtentwicklung genau? „Vor allem um Stadtverdichtung, sagt Christa Böhme vom Deutschen Institut für Urbanistik, „die Landschaft um die Städte herum soll vor weiterer Zersiedlung geschützt werden. Zudem haben Städte, die ohne Verdichtung weit ins Umland reichen, einen enormen Energieverbrauch, etwa durch den Pendlerverkehr.“ Das heiße aber nicht, dass Grünflächen, Parks oder Kleingärten verschwinden müssten. Im Gegenteil: „Das Grün darf im wahrsten Sinne des Wortes nicht unter die Räder kommen“, nicht etwa Straßen weichen müssen. Die Städte verlören sonst an Attraktivität. Wer sie erhalten wolle, müsse wertvolle Freiräume bei der Stadtverdichtung mitdenken.
Doppelte Innenentwicklung
Böhme und ihre Kollegen sprechen von „doppelter Innenentwicklung“. Sie haben dazu im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz eine Studie verfasst, die in Kürze auch veröffentlicht werden soll. Derzeit sei vor allem ein Problem, dass Stadtplanung und Landschaftsplanung noch zu wenig verzahnt sind. Ihre Forderung: „Stadtplaner und Landschaftsplaner müssen künftig stärker zusammen arbeiten, um die Stadt der Zukunft zu planen.“
Die Städte stehen vor besonderen Herausforderungen. 2017 sollen mit dem Programm „Nationale Projekte des Städtebaus“ wie bereits in diesem Jahr vor allem die Umwidmung von Militärflächen, interkommunale städtebaulichen Kooperationen und der barrierefreie und demografiegerechte Umbau der Städte und Gemeinden gefördert werden.